Das Hamsterrad der Widersprüche – bis der Akku schlapp macht
Ilona ist der klassische Fall von „Ich leite ein kleines Familienunternehmen.“ Mutter, Ehefrau, Tochter, Engagement in der Schule, Minijob. Was sich anfangs nach kleiner heiler Welt anhörte, wird für sie allmählich zu einer Herausforderung. Sie macht und macht und macht, aber will sie es auch?
Immer wieder ertappt sie sich bei Selbstgesprächen, in denen sie in ihrem Kopf regelrechte Streitgespräche führt:
- „So, was koche ich heute für meine Familie? Schließlich sollen sich alle gut ernähren.“ „Boah, ich habe wirklich null Bock, immer was auf den Tisch zu stellen!“
- „Heute bin ich mit meinem Mann zum Sport verabredet. Das macht bestimmt Spaß.“ „Nee, du hasst Fahrradfahren und machst das nur um des lieben Friedens willen.“
- „Ach ist das schön, wenn alles so ordentlich gebügelt ist.“ „Spinnst du? Du würdest dich viel lieber beruflich ausleben und dein Hirn benutzen.“
- „Ich bin gerne Angestellte auf Minijob, dann habe ich viel Zeit für die Familie.“ „Bullshit, du würdest viel lieber das Zepter in die Hand nehmen und bei allem, was nicht optimal läuft, gerne deinen Senf dazu abgeben.“
- „Mensch, bin ich froh, dass ich den ganzen Tag in Schlabberklamotten rumlaufen kann und nicht wie früher mit Kostüm und Stöckelschuhen.“ „Geht’s noch? Du siehst aus wie Fritte und würdest dich gerne wieder aufbrezeln – wenn du wenigstens noch in die alten Sachen passen würdest.“
- „Es ist ein tolles Gefühl, dass mein Mann das Geld nach Hause bringt und ich mich um die Familie kümmern kann.“ „Hallo? Du warst früher stolz auf deine Unabhängigkeit und nun? Musst für alles zu Kreuze kriechen.“ „Nu übertreib mal nicht. Mir fehlt es an nichts.“ „Doch, an Selbständigkeit. Du Heimchen am Herd. Wofür hast du denn studiert?“
- „Ach schau mal, wie ordentlich und gepflegt der Garten und das Haus aussehen.“ „Das ist dir doch eigentlich völlig Wumpe. Du machst das nur, damit deine Familie in ein ordentliches Haus kommt und die Nachbarn sehen, wie fleißig du im Garten bist!“
Solche und noch viel gemeinere Dialoge liefen in ihr ab. Und wie Marc Aurel schon vor langer Zeit sagte: „Auf die Dauer der Zeit nimmt die Seele die Farbe der Gedanken an.“ geschah es auch bei Ilona.
Die energiefressenden Streitgespräche führten sie an den Rand eines Burn-outs.
Wer bin ich und was will ich?
Bei einer Veranstaltung in der Schule traf sie auf eine alte Bekannte, die entsetzt und spontan rausplatzte: „Meine Güte Ilona, du siehst ja schrecklich aus.“ Wäre Ilona noch halbwegs bei Kräften gewesen, hätte sie diese Aussage geschluckt und irgendeine Ausrede erfunden, so strömten jedoch zuerst die Tränen und dann die Worte unaufhaltsam aus ihr heraus.
„Tina, ich weiß ja auch nicht. Auf dem Papier sieht mein Leben echt perfekt aus und dennoch bin ich todunglücklich. Alles kostet mich Kraft, ständig streiten verschiedene Stimmen in mir. Langsam habe ich das Gefühl, verrückt zu werden.“
„Weißt du denn, was du willst und was dich so unglücklich macht?“
„Nein, und ich verstehe es auch nicht. Schließlich habe ich alles, was es zum Leben braucht: eine tolle Familie, ein Haus, einen Garten, einen Job. Ich verstehe es einfach nicht! Und das macht mich komplett fertig!“
„Nun mal langsam. Vermutlich hast du dich in den letzten Jahren aus den Augen verloren. Aber das ist kein Weltuntergang. Lerne dich kennen und schau, was dir wirklich wichtig ist. Es gibt da eine ganz tolle App von RMP. Bei dem Reiss Motivation Profile® beantwortest du ganz easy 128 Fragen. Das ist ein Persönlichkeitstest, der dir zeigt, was dir im Leben wichtig ist und welche grundlegenden Bedürfnisse du bei den 16 elementaren Lebensmotiven hast.“
Kaum zu Hause, setzt sich Ilona an ihr Smartphone und macht den Test. Schon nach wenigen Minuten erhält sie ihr persönliches Profil und ein Avatar klärt sie über das Ergebnis auf. Still legt sie danach das Gerät zur Seite und lässt die Informationen sacken.
Kein Wunder, dass in ihr alles schreit und streitet. Sie lebt in manchen Bereichen völlig an ihrer intrinsischen Motivation vorbei. Zum Beispiel hat sie bei dem Lebensmotiv Essen keine hohe Ausprägung. Das erklärt ihren Unwillen, ständig zu kochen. Das Lebensmotiv Unabhängigkeit hingegen ist hoch ausgeprägt. Wen so jemand nach den Terminen der Kinder und des Mannes leben muss, geht ein wie eine Primel. Das Lebensmotiv Familie ist hoch ausgeprägt, daher nimmt sie ihre Verantwortung ernst und auch sehr gerne – nur nicht immer. Das Lebensmotiv Ordnung ist ihr überhaupt nicht wichtig, weswegen Aufräumen immer ein Kraftaufwand gegen ihre eigenen Bedürfnisse ist. Auch die Ergebnisse der anderen Motive lassen sie aufhorchen. Sie weiß nun, wie sie tickt. Und wenn Teufelchen und Engelchen auf ihren Schultern oder in ihrem Kopf aufeinander losgehen, hat sie die entsprechenden Antworten parat.
