Motivationstheorien im Überblick

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Die Maslowsche Bedürfnispyramide

Auseinandersetzungen zum Thema Motivation beginnen immer mit Maslow (aus 1954), da dieser einer der ersten war, der sich mit dem Thema auseinandergesetzt hat. Daher sei dieses bekannte Modell kurz dargestellt.

Motivationsmodelle versuchen, ausgehend von den menschlichen Bedürfnissen, die Grundlagen der Verhaltenssteuerung des einzelnen zu definieren. Maslow (1908-1970) hat mit seiner Bedürfnispyramide den wohl bekanntesten Beitrag zu diesem Thema geliefert. Hinter diesem Konzept stecken 2 Überlegungen:

  1. Er postuliert mehrere menschliche Basisbedürfnisse.
  2. Diese Bedürfnisse sind in einem hierarchischen Stufenbau angeordnet.

Defizitbedürfnisse sind vor allem dadurch gekennzeichnet, dass deren Nichterfüllung Krankheit verursacht.

Wachstumsbedürfnisse sind im Gegensatz zu Defizitbedürfnissen nicht zu befriedigen. Sie sind auf Entfaltung ausgelegt und daher grundsätzlich grenzenlos.


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Die Maslowsche Theorie erfreut sich auch heute noch großer Beliebtheit, was vielleicht auch durch die Einfachheit des Modells und die Nachvollziehbarkeit unterstützt wird.

Die wenigen empirischen Untersuchungen tragen kaum zu dessen Unterstützung bei. Die relative Unschärfe der Theorie macht es nur schwer möglich, Aussagen exakt und überprüfbar zu formulieren. Das wissenschaftliche Interesse an diesem Ansatz ist daher heute kaum noch gegeben.


Die Herzbergsche Zweikomponententheorie

Ein ähnliches Schicksal wie die Maslowsche Bedürfnispyramide erleidet auch die allseits beliebte Theorie Herzbergs (1966 publiziert). Auch sie ist nicht mehr aktuell, daher in Kürze:

Herzberg unterscheidet Motivations- und Hygienefaktoren

Motivationsfaktoren: Arbeitsbedingungen, die im Individuum Motivation aufbauen sowie eine gute Arbeitsausführung bewirken. Sind die Faktoren nicht gegeben, bewirkt das zwar nicht notwendigerweise Unzufriedenheit, aber die Organisationsmitglieder sind damit auch nicht motiviert.

Hygienefaktoren: Arbeitsbedingungen, die, wenn sie nicht vorhanden sind, im Individuum Unzufriedenheit hervorrufen. Sind diese Bedingungen gegeben, dann besteht zwar keine Unzufriedenheit, aber die Mitarbeiter*innen sind deshalb trotzdem nicht notwendigerweise motiviert.

Motivationsfaktoren sind:

  • Leistung
  • Anerkennung
  • Arbeit selbst
  • Verantwortung
  • Beförderung
  • Wachstum

Hygienefaktoren sind:

  • Unternehmenspolitik/Verwaltung
  • Überwachung
  • Beziehungen zu Vorgesetzten
  • Arbeitsbedingungen
  • Lohn
  • Beziehungen zu Kolleg*innen
  • eigenes Leben
  • Beziehungen zu Untergebenen
  • Status
  • Sicherheit

Kernaussagen

  • Es gibt Faktoren in Arbeitssystemen, die zufrieden machen und solche, die unzufrieden machen.
  • Die wichtigsten Faktoren, die zufrieden machen sind: Leistungserfolg, Anerkennung, die Arbeit selbst, Verantwortung, Vorwärtskommen und Entfaltungsmöglichkeiten.
  • Was unzufrieden macht sind: Arbeitsbedingungen, Arbeitsplatzsicherheit, zwischenmenschliche Beziehungen, Status, Kolleg*innen, Art und Qualität der Führung, Bezahlung.
  • Die Abwesenheit von Unzufriedenmachern macht noch lange nicht zufrieden, die Abwesenheit von Zufriedenheit macht noch lange nicht unzufrieden.

Das Modell ist methodisch umstritten, es hat keine ausreichende empirische Absicherung, was jedoch die Beliebtheit des Modells nicht geschmälert hat.

Beiden Modellen liegt eine Schwäche zugrunde: Sie gehen von einem impliziten Menschenbild aus, das einerseits notwendig ist, um Theorien zu untersuchen, andererseits in den genannten Fällen immer einseitig geblieben ist. Wissenschaftliche Überprüfungen sprechen zudem nicht für diese Modelle. Um also ein annähernd realistisches Menschenbild zu erhalten, muss man von einer Vielzahl handlungsleitender Einzelbedürfnisse ausgehen.


Reinhard Sprengers Beitrag zum Thema Motivation

Reinhard Sprenger lieferte mit seinem Buch „Mythos Motivation“ einen im deutschen Sprachraum viel diskutierten Beitrag, der nicht auf empirischen Studien beruht, sondern auf seinen persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen. Trotzdem soll eine kurze Zusammenfassung seiner Theorie Erwähnung finden, da Reinhard Sprenger gerade bei Führungskräften sehr viele Diskussionen ausgelöst hat.

Sprenger unterscheidet Motivation von Motivierung. Unter Motivation versteht er die Frage nach dem „Warum“ des Verhaltens, während Motivieren das „Wie“ des Verhaltens betrifft. Das Interesse der Managerin oder des Managers ist aber nicht, warum etwas passiert, sondern wie sie oder er das Verhalten von Mitarbeiter*innen beeinflussen kann. Das, so Sprenger, was also gemeinhin als Motivation bezeichnet wird, ist also nicht Motivation, sondern Motivierung. Es ist das „... Erzeugen, Erhalten und Steigern der Verhaltensbereitschaft durch den Vorgesetzten bzw. durch Anreize ... Für diese Fremdsteuerung verwende ich den Terminus ‚Motivierung’ in deutlicher Trennung von der Eigensteuerung des Individuums.“ Sprenger legt in seinen Ausführungen in der Folge sehr plakativ dar, wie wenig nützlich gängige Motivierungspraktiken sind, und wie sich diese manchmal in ihr Gegenteil verkehren. So führt er beispielsweise die 5 großen B’s der Motivierung an: Bedrohen, Bestrafen, Bestechen, Belohnen und Belobigen und führt die Leser*innen zu dem Schluss: „Alle Motivierung zerstört die Motivation“. Eine von Sprengers Ausführungen zum Thema Motivieren durch Prämien fand bei vielen Führungskräften breiten Anklang und wurde medienwirksam aufbereitet. Prämien führen zu Sinnlosigkeit, so Sprenger, denn: „... oft wird nicht getan, was sinnvoll ist, sondern, was belohnt wird.“

Sprengers Ausführungen enthalten viele Gedanken, die grundsätzlich auch von empirischen Studien gestützt werden. Motivation und damit auch Motivierung können nur von innen, also aus dem Menschen selbst entstehen. Somit kann Motivation nicht erzeugt werden, sondern jeder Mensch kann sich nur selbst motivieren. „Es geht vielmehr um Einsicht in die Tatsache menschlicher Wahlfreiheit.“ Selbstmotivierung bedeutet also, die Verantwortung für Motivation und Leistungsbereitschaft selbst zu übernehmen.

Sprengers Ausführungen sind nicht ganz neu. Aus der Neuropsychologie wissen wir seit langem, dass biologisch gesehen, Aktivierung, Emotion und Motivation nicht zu unterscheiden sind. Jede Handlung entsteht somit aus dem Menschen selbst, und, so gesehen, auch Motivation. Sein Beitrag ist wertvoll, denn er hat eine längst fällige Diskussion ausgelöst, die selbsternannte Motivationsgurus und deren banale Konzepte in die Ecke der Unseriosität verweist, in die sie auch gehören. Sprenger könnte jedoch so manche Führungskraft zu dem Trugschluss führen, sie könnte sich getrost zurücklehnen, da sie ohnehin nichts zur Motivation ihrer Mitarbeiter*innen beitragen könne. Eine eindimensionale, wiewohl naheliegende Schlussfolgerung.


Steven Reiss mit der Frage „Who am I“

Eine gänzlich neue Untersuchung zum Thema Motivation legte 2000 Steven Reiss vor. Sein Buch „Who am I“ war eine der am meisten zitierten Studien im angloamerikanischen Raum. Steven Reiss legt mit seiner Studie nicht nur einen völlig neuen Beitrag zum Thema der Motivation vor, sondern hat wahrscheinlich die Persönlichkeitspsychologie revolutioniert.

Was ist nun das grundlegend Neue?

Steven Reiss legt mit seiner Untersuchung keine neue Typologie vor, sondern eine Persönlichkeitstheorie. Die Lebensmotive sind unabhängig voneinander, d. h. das Vorhandensein eines Motivs ist unabhängig vom Vorhandensein aller anderen Motive. Es fehlt damit also eine Motivhierarchie, wie wir sie bei den Modellen von Maslow und Herzberg gesehen haben. Das bedeutet auch, dass die Motive keiner Wertung insofern unterzogen werden, dass es höher- und niederstehendere Motive gäbe. Das heißt, kein Motiv ist dem anderen überlegen oder wird als erstrebenswerter eingestuft.

Reiss liefert mit seinem Beitrag mehr als eine Motivationstheorie. Die Erkenntnisse von Steven Reiss erinnern eher an eine Persönlichkeitstheorie, denn

  • die Motive bestimmen unser Verhalten per se: sie auszuleben, ist ihr Zweck.
  • das Motivprofil eines Menschen ist grundsätzlich stabil.
  • wir finden eine Unterscheidung zwischen „Feel good-happiness“ und „Valuebased-happiness“. Unter Feel good-happiness versteht Reiss die Bestrebungen eines Menschen, möglichst schnell ein gutes Gefühl herzustellen und darin Sinn zu finden im Gegensatz zu Valuebased-happiness, was bedeutet, den Sinn des eigenen Tuns gefunden zu haben und sein Leben nach den eigenen Werten und Motiven auszurichten.
  • Im klinisch-therapeutischen Bereich nährt seine Theorie Viktor Frankls Existenzanalyse (Der Mensch auf der Suche nach dem Sinn).

Nicht zuletzt ist Reiss Theorie ein Plädoyer für Toleranz: er plädiert für das

Verstehen und Akzeptieren der Motive anderer Menschen. Denn wir neigen dazu, unsere eigenen Werte als erstrebenswert einzustufen und jene der anderen geringzuschätzen. So stellt Steven Reiss in Zusammenhang mit seiner Motivtheorie die 3 Aspekte der Selbstbezogenheit dar, die die eigenen Werte über jene der anderen erhebt:

3 Aspekte der Selbstbezogenheit

  • Misunderstanding: Missverständnisse (es kann nicht sein, was nicht in mein Weltbild passt).
  • Self-hugging: Selbstillusion (meine Werte sind nicht nur für mich, sondern für alle richtig).
  • Everyday tyranny: Wertetyrannei: (der tägliche Versuch, den anderen zu ändern).

Reiss, S. (2000)