Was brauchen Unternehmen, um wirklich innovativ zu sein? – ein Interview mit Expertin Lena Lührmann

Erfolgreiche Unternehmen verstehen, dass die Zukunftssicherung maßgeblich von der Fähigkeit abhängt, starke Innovationsteams zu bilden. Als Grundlage für nachhaltiges Wachstum, die proaktive Vorbereitung auf zukünftige Herausforderungen und die Anpassungsfähigkeit an sich ständig verändernde Marktbedingungen ist die Investition in Innovationen unabdingbar. Innovationsteams treiben Veränderung und Fortschritt voran – doch ihre Gestaltung erfordert ein besonderes Fingerspitzengefühl. Genau deshalb scheitern Innovationsprojekte so häufig. Wie können Unternehmen sicherstellen, dass ihre Innovationsprojekte erfolgreich abgeschlossen werden? Und welche Rolle spielt die individuelle Motivation der Mitarbeitenden für diesen Erfolg?

· 8 Min Lesezeit

Lena Lührmann, Gründerin und Geschäftsführerin von Visionsalive, ist Expertin auf diesem Gebiet und widmet sich der Innovationsfähigkeit von Unternehmen. Sie ist davon überzeugt, dass die richtige Lösung für die Herausforderungen der Zukunft bereits im Unternehmen und seinen Mitarbeitenden steckt. Mit ihrer unkonventionellen Art und ihren außergewöhnlichen Ideen fördert sie vorhandene Potenziale und zeigt Unternehmen damit neue Möglichkeiten auf. Bei all dem unterstützt sie das Reiss Motivation Profile® in ihrer täglichen Arbeit – ein Persönlichkeitstest für Klarheit, Erkenntnis, Orientierung und Bewusstsein. Anhand von 16 grundlegenden Lebensmotive ermittelt er die individuellen Bedürfnisse, Werte und Motivationen von Menschen. Im Interview teilt sie ihre Erfahrungen und erklärt, wie das Reiss Motivation Profile® Unternehmen effektiv dabei unterstützt, das volle Potenzial ihrer Mitarbeitenden zu entfalten, effiziente Teams zu bilden und dadurch langfristig innovativ zu bleiben.

Lena, in deinem Buch „Innovation leben!“ sprichst du oft von der Bedeutung der Individualität im Unternehmenskontext. Individualität ist ein zentraler Faktor für den Erfolg eines Unternehmens – und genau hier setzt das Reiss Motivation Profile® an, indem es die individuellen Motive und Bedürfnisse der Mitarbeitenden offenlegt. Wie bist du mit dem Reiss Motivation Profile® in Kontakt gekommen? Was waren deine ersten Erfahrungen damit?

Lena Lührmann: Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass das Reiss Motivation Profile® für mich ein Schlüsselmoment war. Als ich das erste Mal damit in Berührung kam, habe ich plötzlich die Dynamiken des menschlichen Verhaltens besser verstanden. Vorher habe ich Menschen einfach nur für bare Münze genommen, durch das, was sie sagten – ohne wirklich zu verstehen, welche Bedürfnisse dahinterstehen. Das RMP hat mir gezeigt, dass hinter jedem Satz ein Bedürfnis steckt, und oft ist das nicht das, was ausgesprochen wird. Das war sowohl spannend als auch schmerzhaft, weil es mir die Augen geöffnet hat. Im Vergleich zu anderen Persönlichkeitstests empfinde ich das RMP als den fairsten, weil es Menschen als Individuen sieht und sie in ihren Jobs glücklicher und leistungsfähiger macht, ohne sie als bloße Ressourcen zu benutzen. Für mich ist das RMP der Kern aller Persönlichkeitstests, alles andere ist nur Oberfläche.

Kannst du konkrete Beispiele nennen, wo du das RMP eingesetzt hast, speziell im Innovationsprozess?

Lena Lührmann: Ja, ich hatte zum Beispiel einen Geschäftsführer in einem großen Unternehmen, der das Ressort Innovation übernommen hatte. Er führte einen Prozess nach dem Vorbild von Procter & Gamble ein, aber nach eineinhalb Jahren war klar, dass dieser Prozess völlig unpassend war und nur Bürokratie geschaffen hat, ohne dass eine Innovation dabei herauskam. Durch die Analyse mit dem RMP wurde klar, dass dieser Prozess nur seinem eigenen Bedürfnis nach Ordnung und Informationsfluss entsprach und nicht den Bedürfnissen des Teams. Wäre das RMP früher eingesetzt worden, hätte man sofort gewusst, dass dieser Ansatz nicht funktioniert. Ein weiteres Beispiel ist allgemein die Arbeit mit Innovationsteams: Hier konnte ich anhand des RMPs schon oft vorhersagen, welche Teammitglieder Schwierigkeiten mit bestimmten Aufgaben haben würden, etwa bei hohem Gegenwind oder wenn sie Ressourcen aus anderen Abteilungen benötigten.

Wie hat sich deiner Auffassung nach die Bereitschaft, sich mit Innovation und Zukunftssicherheit zu beschäftigen, unter dem Aspekt der „Permakrise“ verändert?

Lena Lührmann: Ich nehme wahr, dass die Menschen einen kollektiven Erschöpfungszustand erleben, unabhängig von ihrem RMP. Einige Motive wie Ruhe und Idealismus mit je niedriger Ausprägung helfen, etwas positiver zu bleiben, aber auch diese Menschen zeigen Erschöpfungssymptome. Ich glaube, dass der Schlüssel zur Bewältigung der Permakrise darin liegt, individuell mit den Bedürfnissen jedes Menschen zu arbeiten, was das RMP ermöglicht.

Welche Vorteile siehst du durch die Arbeit mit dem RMP für dich und deine Kunden?

Lena Lührmann: Das RMP macht das ungehobene Potenzial von Menschen sichtbar. Ich glaube, dass es genau deshalb die Antwort auf das zukünftige Angestellten- und Arbeitgeberverhältnis ist. Es kann nicht nur die Verweildauer von Mitarbeitenden erhöhen, sondern auch dafür sorgen, dass sie sich in ihrem Job wohler fühlen, weil sie entsprechend ihrer Persönlichkeit geführt werden. Zweitens ermöglicht das RMP einen Blick in die Zukunft: Ich kann besser vorhersagen, wie sich Teams entwickeln werden und ob Menschen in der Lage sind, die erwartete Leistung zu erbringen oder zugeteilte Aufgaben erfolgreich zu erledigen. Drittens denke ich mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen und die nahe Zukunft, dass es in der Frage, wann man einen Menschen oder eine KI für eine bestimmte Aufgabe einsetzt, hilfreich sein kann, weil es zeigt, welche menschlichen Eigenschaften nicht durch eine KI ersetzt werden können.

Wie verändert sich die Situation in einem Unternehmen nach der Anwendung des RMPs im Vergleich zu vorher?

Lena Lührmann: Vor dem Einsatz des RMPs verhalten sich Menschen oft unbewusst auf eine bestimmte Weise, streiten mit Kollegen und fühlen sich unzufrieden, ohne genau zu wissen, warum. Sie suchen nach Erklärungen, warum etwas nicht funktioniert, und haben oft nur Stellvertreteraussagen parat. Wenn das RMP ins Spiel kommt, verstehen die Menschen plötzlich sich selbst und die Dynamiken mit anderen. Es gibt Aha-Momente, die tiefgreifend sind und nach denen man nicht mehr zu dem Zustand vor der Erkenntnis zurückkehren kann. Damit das RMP jedoch wirklich effektiv ist, sollte es von einem Coach begleitet werden, der hilft, die Ergebnisse anzunehmen und in den Alltag zu integrieren.

Welche potenziellen Hürden siehst du bei der Verwendung des RMPs?

Lena Lührmann: Menschen haben immer noch viel Angst, etwas so „Privates“ von sich preiszugeben. Die eigenen Motive zu teilen, kann in einer auf Konformität gedrillten Businesswelt schon eine kleine Hürde sein. Wenn man sich aber traut – und ich glaube, unser Zeitgeist gibt dieses Selbstbewusstsein her – sich auch so auf der Arbeit zu präsentieren, wie man ist, dann hat der Arbeitnehmer wirklich viel davon. Er darf davon ausgehen, dass ein Unternehmen aufrichtig möchte, dass es ihm gut geht. Und zwar über Obstkorb und Dienstfahrrad hinaus, sondern auf einer mentalen, einer „purpose-driven“ Ebene. Wir leben in Zeiten, wo über 40 % aller Krankmeldungen aus mentalen oder psychischen Gründen bestehen – da können Menschen doch jeden Zugewinn an Berücksichtigung der eigenen Individualität für eine sinnvollere Arbeitsplatzgestaltung wirklich gut gebrauchen.

Welche Auswirkungen kann es haben, wenn die individuellen Motivationen und das RMP in einem Unternehmen vollständig missachtet werden?

Lena Lührmann: Wenn das RMP völlig ignoriert wird, kann das zu Burn-out, ständiger Unzufriedenheit und unnötigen Jobwechseln führen. Menschen suchen dann ständig nach etwas, das sie glücklich macht, ohne es zu finden, weil sie ihre eigenen Bedürfnisse und Motivationen nicht kennen oder sie missachten.

Wie kann das RMP bei der Identifizierung von Schlüsselmitarbeitenden für innovative Projekte oder von Talenten mit besonderem Innovationspotenzial helfen?

Lena Lührmann: Das RMP ist äußerst nützlich, um Teams divers und effektiv zusammenzustellen. Es reicht nicht, nur Leute mit ähnlichen Motivationen zusammenzubringen; Diversität auf der Ebene der Motive ist entscheidend. Zum Beispiel braucht man in Innovationsprojekten eine Mischung von Menschen mit unterschiedlichen Motivationen, um wirklich inspirierende und umsetzbare Ideen zu entwickeln. Ein Team, das nur aus Idealisten besteht, würde Ideen hervorbringen, die möglicherweise überhaupt nicht umsetzbar sind.

Gibt es bestimmte Motivationsprofile, die besonders geeignet für Innovationsaufgaben sind?

Lena Lührmann: Ja, absolut. Menschen mit hoher Neugierde und Unabhängigkeit beispielsweise bringen oft frische Perspektiven und neue Ideen ein. Gleichzeitig ist es wichtig, auch Menschen mit einem hohen Ordnungssinn in den Prozess einzubinden, da sie die notwendige Struktur und Organisation für die Umsetzung von Innovationen schaffen. Es geht darum, eine Balance zwischen verschiedenen Motivationsprofilen zu finden, um sowohl kreative Ideen als auch deren praktische Umsetzung sicherzustellen.

Was rätst du Unternehmen, die das RMP langfristig verwenden möchten?

Lena Lührmann: Unternehmen sollten jemanden in ihrer Personalabteilung haben, der als Inhouse-RMP-Master agiert und das Thema wirklich lebt. Dieser Master kann das RMP für verschiedene Bereiche nutzen, wie etwa Recruiting, Weiterbildung, Nachfolgeplanung oder die Entwicklung von Führungskräften. Dabei ist wichtig, dass diese Person ein gewisses Maß an Empathie hat und das Potenzial und die Weiterentwicklung von Menschen fördert.

Welche Aspekte sollte man im Umgang mit dem RMP noch berücksichtigen?

Lena Lührmann: Man sollte immer daran denken, dass das RMP nicht alles abdeckt. Es gibt andere wichtige Faktoren wie Neurodiversität, Fachwissen und IQ, die das RMP nicht erfassen kann. Zudem ist es kein Diagnosewerkzeug für psychische Erkrankungen. Man sollte das RMP also als Teil eines größeren Ganzen sehen und es mit Bedacht und Respekt einsetzen.

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