
Nachdem Carsten jetzt weiß, wie wichtig ihm Ordnung ist, wird ihm auch klar, warum ihn manche Situationen teilweise überforderten. Für ihn war es schon immer unbegreiflich, wie manche Menschen im Chaos leben können. So war, im Gegensatz zu seiner Schwester, sein Zimmer immer aufgeräumt und er hatte große Probleme damit, sich an Veränderungen zu gewöhnen oder spontan etwas zu unternehmen. Damals konnte er noch nicht wirklich erfassen, welchen Einfluss es auf sein eigenes Leben hat, und dachte sogar manchmal, dass etwas mit ihm nicht stimmte.
Durch das RMP-Profil erfuhr Carsten, dass Menschen mit einem stark ausgeprägten Sinn für Ordnung die Dinge gerne strukturiert haben. Er fühlt sich besonders unwohl, wenn seine Umgebung oder seine Terminplanung in Unordnung geraten und strebt danach, die Dinge in seinem Leben zu strukturieren und zu organisieren. Dumm nur, dass seine Familie nicht unbedingt zu den Menschen gehört, die so ticken wie er. Und auch in seinem Beruf als Führungskraft ist er ständig gefordert, Pläne umzuwerfen, weil Mitarbeitende krank werden oder Kunden plötzlich mit neuen Anforderungen kommen. Das ist einer der Hauptgründe, warum Carsten vor einiger Zeit das Gefühl überkam, dass nichts mehr in seinem Leben zusammenpasst. Das ging schon beim Urlaub mit der Familie los.
„Willst du noch planen, wann wir auf die Toilette gehen?!“
Für viele ist es die entspannteste und schönste Zeit des Jahres, für Carsten war es purer Stress: der Familienurlaub.
Gespräche liefen nicht selten so ab:
„Wir fahren also dieses Jahr nach Kroatien – das Hotel habe ich schon gebucht, die Route mit dem Auto ist geplant und ich habe schon herausgesucht, wann und wo wir Pause machen.“
„Echt jetzt, Papa … wie lame. Wo bleibt denn der Spaß, wenn du schon wieder alles geplant hast?“, kam es wie immer von seinen Kindern.
Auch seine Frau zeigte sich wenig begeistert: „Bestimmt hast du auch schon jeden Ausflug und jedes Essen im Restaurant genau geplant. Es wundert mich ja, dass wir nicht alle noch einen Plan bekommen, wann wir auf die Toilette gehen sollen. Wo bleibt da die Spontanität?“
Verstohlen ging der Blick von Carsten auf seine Excel-Tabelle, und er schluckte. Warum nur konnte niemand verstehen, wie wichtig ihm klare und einschätzbare Rahmenbedingungen, Sicherheit, Genauigkeit und Beständigkeit sind.
Kompromisse, statt sich selbst zu verlieren
Jahrelang agierte Carsten auf Wunsch seiner Familie gegen sein inneres Bedürfnis nach Ordnung. Er versuchte, dieses zumindest im Beruf auszuleben, doch auch dort herrscht eher das Chaos vor. Zähneknirschend nahm er vieles hin und spürte, wie er immer unglücklicher mit der Gesamtsituation wurde. Dank des RMP weiß er, dass dies an seinem ausgeprägten Ordnungssinn liegt, und er kann es endlich benennen. Er erkennt jetzt sowohl sein Bedürfnis für penible Struktur und Ordnung, weiß aber auch, dass er manchmal Schwierigkeiten hat, das große Ganze zu sehen. Zuweilen konzentriert er sich zu sehr auf die Details und vernachlässigt dabei den Überblick. Seit Carsten all diese Erkenntnisse über sein Lebensmotiv für Ordnung gewonnen hat, versteht er, warum er sich in einer geordneten Umgebung am wohlsten fühlt.
Nun ist es so, dass er nicht alleine lebt und auch nicht nur für sich arbeitet und so gab es beim Familien-Meeting eine große Besprechung, wie sowohl Ordnung als auch Flexibilität zusammenkommen. Zunächst veränderten sich die kleinen Dinge, denn gerade Routinen und Rituale helfen Carsten, sein Bedürfnis nach Konstanz in seinen Alltag einzubinden. So ist es für die Familie keine große Sache, dass er immer am gleichen Esstischplatz sitzt. Zudem wurde eine feste Zeit für das gemeinsame Abendessen festgelegt. Carsten hingegen hat ebenfalls mehr Verständnis dafür, dass andere Menschen Flexibilität und Spontanität bevorzugen. Es gilt also, Kompromisse zu finden, mit denen sich alle wohlfühlen.
Mit dieser Erkenntnis gestaltet Carsten seine neue Lebensphase. Indem er sich nun selbst besser versteht und weiß, dass Ordnung einen hohen Stellenwert für ihn hat, ist er einem erfüllteren und harmonischeren Leben wieder einen Schritt nähergekommen.