Lass doch mal gut sein … wenn Denkerin und Macher unter einem Dach wohnen

An einem lauen Sommerabend im Strandband vor vier Jahren lernten sich Paul und Verena kennen. Er sprach sie an, als sie gerade in ein Buch vertieft war und bewunderte sofort ihre wissbegierige und nachdenkliche Art, denn er war so ganz anders. Aus dem anfänglichen „Gegensätze ziehen sich an“ ist jetzt, vier Jahre später, ein nerviges Alltagsthema geworden, das beide an ihrer Beziehung zweifeln lässt.

· 6 Min Lesezeit

Verena hat ein starkes Bedürfnis danach, den Dingen auf den Grund zu gehen. Sie interessiert sich für Ideen, Gedanken oder einfach nur Theorien, auch wenn sie keinen praktischen Nutzen haben – und sie liebt es, darüber zu sprechen. Paul hingegen kann nicht verstehen, warum sie sich immer mit irgendwelchen Belanglosigkeiten beschäftigt und über alles stundenlang nachdenken muss, während er einfach macht.

Heute ist wieder einer dieser Tage

„Hast du schon die Blumen gegossen und die Wäsche gemacht?“, fragt Paul vorsichtig nach. Verena hat heute einen freien Tag und wollte sich um den Haushalt kümmern.

„Oh, das habe ich ganz vergessen. Ich war hier so vertieft in ein Thema, dass ich alles andere einfach vergessen habe“, kommt es entschuldigend zurück.

Heute ist also wieder einer dieser Tage. Paul ist genervt. „Du hattest doch den ganzen Tag Zeit, dich um diese paar Kleinigkeiten zu kümmern …“, wütend packt er die Wäsche in die Maschine und greift nach der Gießkanne. Verena unterdessen taucht wieder voll und ganz in einen Online-Artikel über die neuesten Entdeckungen der Mikrobiologie ab, obwohl sie eigentlich gar nichts mit dem Thema am Hut hat, aber sie lernt nun mal gerne.

Später beim Abendessen analysiert sie noch einmal alles, verfällt geradezu in einen Monolog über das, was sie heute erfahren hat, und möchte kein Detail auslassen.

„ES INTERESSIERT MIT NICHT!“, donnert es von Paul. Er hat die Schnauze voll. Ständig verfolgt seine Partnerin unwichtige Gedanken und muss alles zu Tode analysieren. Und das schlimmste: Fast nichts davon ist für ihren oder seinen Alltag relevant. Er versteht nicht, warum sie immer nur denkt und nicht einfach macht, so wie er.

Wenn zwei Welten aufeinanderprallen  

Mit dem Schachbrett in der Hand steht Verena vor Paul und unternimmt einen Versöhnungsversuch.

„Wollen wir nicht eine Runde spielen, uns unterhalten und den Streit vergessen?“

„Damit du wieder anfängst, über deine absurden Theorien zu reden? Lass es doch mal gut sein!“ Noch immer ist Paul wütend und zieht sich in seine kleine Werkstatt zurück.

Beim Basteln kann er gut abschalten. Es gefällt ihm, wenn er seine eigenen Ideen in praktischen Dingen verwirklichen kann. Verena hätte bestimmt erst hundert Videos zum Thema „Vogelhäuschen“ angeschaut und wäre dann irgendwann bei seltenen Vogelarten im tiefsten brasilianischen Regenwald gelandet. Und am Ende hätte sie wahrscheinlich noch über den Klimawandel und ihren Energieverbrauch diskutieren wollen. Wohingegen es Pauls Plan ist, einfach nur ein Vogelhaus zu bauen. Er mag es praktisch und lernt am besten dann, wenn er die Sachen selbst ausprobieren kann.

Bei Verena und Paul prallen zwei Welten aufeinander, die immer wieder für Ärger im Beziehungskosmos sorgen. Leider hat das zur Folge, dass sich die beiden zurückziehen und jeder sein Ding macht, was auf Dauer nicht gut gehen kann.

Wer hätte gedacht, dass sich alles um Neugier dreht?

Verena ist gefrustet: Schon den ganzen Samstag hängt Paul in der Werkstatt und bastelt. Sie kann nicht begreifen, warum er seinen Geist nicht mal füttert, so wie sie es regelmäßig tut. Sie schnappt sich ihr Smartphone und stößt beim Scrollen durch die Social-Media auf eine Anzeige, die ihre Neugier weckt. „Beziehungsprobleme? Willst du wissen, wie du und dein Partner wirklich ticken? Dann macht jetzt das Reiss Motivation Profile® und finde es heraus.“ Sie ist sehr daran interessiert zu verstehen, warum Paul ist wie er ist. Kurzerhand ruft sie die Website auf und erfährt, dass das sogenannte RMP ein Persönlichkeitstest ist, der auf der Forschung des Psychologen Steven Reiss basiert. Dieser hat 16 Lebensmotive identifiziert, die das menschliche Verhalten maßgeblich beeinflussen. So kann jeder herausfinden, welche Bedürfnisse er hat und was ihm wichtig ist.

Das wäre doch etwas für sie und Paul. Vorsichtig schiebt sie die Tür zur Werkstatt auf und berichtet Paul von ihrer Entdeckung. Anfangs ist er nicht begeistert und hält das mal wieder für eine ihrer komischen Ideen, doch nachdem er sich selbst ein wenig damit befasst hat, entschließt er sich mitzumachen. Die beiden beantworten jeder für sich die 128 Fragen des Tests und vergleichen dann ihre Ergebnisse. „Bei uns liegt der Hund wohl in dem Lebensmotiv Neugier begraben“, stellt Verena fest.

„Unsere Beziehung war nie besser!“

Schnell ist klar, dass Paul praxisorientiert ist und Verena neugierig. Auf der Website lesen sie dazu: Praxisorientierte und neugierige Menschen neigen dazu, einander misszuverstehen. Praxisorientierte Menschen fragen sich, warum sich neugierige Menschen derart mit Belanglosigkeiten beschäftigen, und meinen, sie sollten weniger Zeit damit verschwenden, über alles nachzudenken und alles zu analysieren. Neugierige Menschen denken, dass praktische Menschen sorgfältiger über das, was sie tun, nachdenken sollten.

„Das beschreibt uns zu 100 %“, bestätigt Paul.

„Doch wie soll es nun weitergehen, wenn unsere Bedürfnisse in diesem Punkt so unterschiedlich sind?“, fragt Verena.

Die beiden werden sich einig. Verena hat sich zu einem Buchclub angemeldet, in dem sie auf Gleichgesinnte trifft und diskutieren kann. Auch hat sie eine Freundin, die ähnlich tickt und sich vorgenommen, den Kontakt mit ihr zu vertiefen. Außerdem versucht sie, sich mehr auf Paul einzulassen und bastelt sogar manchmal mit ihm in der Werkstatt. Dadurch ergeben sich großartige Gespräche und da Paul weiß, wie wissbegierig seine Partnerin ist, versucht er, besser zuzuhören und sich auf das ein oder andere Thema einzulassen. Jetzt, da sowohl Verena als auch Paul wissen, was dem anderen wichtig ist, fällt es ihnen leichter, darauf einzugehen oder dem anderen die Freiheit zu geben, seine Bedürfnisse auszuleben. Beide sind sich einig: „Unsere Beziehung war nie besser!“


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